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Verkehrsrecht Sind alle Blitzer verfassungswidrig?

Seit das Bundesverfassungsgericht am 15.12.2020 seinen Beschluss zu den Rohdaten der Messgeräte veröffentlicht hat, liest man in Zeitungen, Zeitschriften und auch Werbeanzeigen reißerische Überschriften, dass alle Blitzer verfassungswidrig seien. Wirklich?

Die Rechtswidrigkeit von Messverfahren ist immer mal wieder Thema in den Medien, sodass ich im Rahmen meiner bußgeldrechtlichen Verteidigung häufig nicht den Tatsachen entsprechende Schlagzeilen richtigstellen und den Irrglauben meiner Mandanten berichtigen muss.

In der Regel sucht der betroffene Mandant mit einem Anhörungsbogen oder bereits einem Bußgeldbescheid, ab dessen Zustellung eine Einspruchsfrist von 2 Wochen zu laufen beginnt, einen Rechtsbeistand auf, um überprüfen zu lassen, welche Möglichkeiten er hat, um das drohende Fahrverbot herumzukommen.

Wenn ein Bußgeldbescheid bereits zugestellt worden ist, wird in der Regel Einspruch eingelegt. Ohne Begründung, um sich nicht vorschnell festzulegen. Danach lässt sich der Verteidiger die Akte von der Bußgeldstelle zuschicken – um sie anhand mehrerer Merkmale auf ihre Rechtmäßigkeitsmerkmale zu überprüfen.

Was die Bußgeldakte (nicht) hergibt

Fast jede Bußgeldakte besteht zumindest aus dem Schulungsnachweis, dass die Messbeamten entsprechend geschult worden sind, dem Eichschein des Messgerätes und einem Messprotokoll, welches gefertigt worden ist. Hier fallen dem Verteidiger Unrichtigkeiten oder Ungereimtheiten häufig ins Auge, wenn sie mehr oder weniger offensichtlich sind.

Was aber, wenn tatsächlich irgendein Fehler gegeben ist, den man in der Akte nicht entdeckt? Der Bußgeldbescheid wäre rechtswidrig, aber man merkt es nicht.

Häufig ist die Bußgeldakte unvollständig, sodass weitere Informationen und Belege bei der jeweiligen Bußgeldstelle anzufordern sind. Dabei kommt es vor, dass die Bußgeldstellen oder auch die Amtsgerichte, die Herausgabe weiterer Daten oder Unterlagen verweigert mit dem Argument, dass diese für die Bearbeitung der Angelegenheit nicht erforderlich seien und ohnehin kein Anspruch auf Einsichtnahme in diese Daten bestehe. Argument: Was nicht zur Akte gelangt ist, kann nicht zur Einsichtnahme beansprucht werden.

BVG stellt Anspruch auf Einsicht in Rohdaten klar

Dieser Zahn wurde den Bußgeldstellen und Amtsgerichten nunmehr mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.2020, AZ.: 2 BvR 1616/18, gezogen.

Das Bundesverfassungsgericht stellt in seiner Entscheidung klar, dass die betroffenen Verkehrssünder Anspruch haben auf Einsichtnahme in die Rohdaten der Messgeräte, da andernfalls eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren aus Art. 2 und Art. 20 des Grundgesetzes bestehe. Die Rohdaten sind regelmäßig nicht Bestandteil der Akte, können einem Sachverständigen und auch dem Verkehrsanwalt wertvolle Hinweise auf Fehlfunktionen oder Bedienungsfehler liefern.

Einfach ins Blaue hinein die Messdaten anzuzweifeln wäre unzulässig und für das Gericht daher unerheblich. Lassen sich aber anhand der Daten Fehler erkennen, so ist das Gericht verpflichtet, einen Sachverständigen mit der Überprüfung der Messung zu beauftragen.

Das bedeutet somit insgesamt nicht, dass die für die Überprüfung des Fahrverhaltens eingesetzten Messgeräten (Geschwindigkeitsmessungen, Abstandsmessungen etc.) verfassungswidrig sind. Vielmehr geht es um die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, welches die Grundlage einer möglichen Verurteilung bildet.

Fazit: Kein Blitzer ist verfassungswidrig.

Lassen Sie sich nicht von etwaigen reißerischen Schlagzeilen in die Irre führen. Sollte gegen Sie ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden sei, empfiehlt es sich häufig, aufgrund der Komplexität des Verfahrens einen Rechtsbeistand mit der Verteidigung zu beauftragen, damit von Ihrer Seite auch nur die Strafe akzeptiert werden muss, welche auch verfassungskonform zustande gekommen worden ist.


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
22. Dezember 2020

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